National / 19.7.2021, 07:22 Uhr
Bundesregierung ignorierte Flutwarnung
Wissenschaftler werfen der Bundesregierung von CDU/CSU und SPD monumentales Versagen vor.
Berlin / London - Die britische Hochwasser-Expertin Hannah Cloke, Professorin für Hydrologie an der Universität Reading, hat der Bundesregierung und dem deutschen Katastrophenschutz-System eine Mitverantwortung für die verheerenden Folgen der Flut gegeben.
Der britischen Zeitung „The Times“ sagte die Mitentwicklerin des europäischen Hochwasser-Warnsystems „Efas“, das System habe am 10. Juli – also vier Tage vor Beginn der Überschwemmungen – Alarm geschlagen und „Warnungen an die deutsche und die belgische Regierung“ übermittelt.
In den darauffolgenden Tagen seien detaillierte Diagramme an deutsche Behörden übermittelt worden, die präzise voraussagten, wo das Hochwasser am gefährlichsten würde.
Die „Times“ titelt: „Deutschland wusste, dass die Flut kommt, aber die Warnungen haben nicht funktioniert.“
Cloke erklärte der Times: „Die Leute hätten Warnungen erhalten sollen. Die Leute sollten die Warnungen verstanden haben. Es nützt nichts, riesige Computermodelle zu haben, die vorhersagen, was passieren wird, wenn die Leute nicht wissen, was sie bei einer Flut tun sollen.“
Die Expertin: „Die Tatsache, dass Menschen nicht evakuiert haben oder die Warnungen nicht erhalten haben, legen nahe, dass etwas schiefgegangen ist.“ Es handele sich um ein „monumentales System-Versagen“.
Dem ZDF sagte Cloke zudem, man habe die Daten nach Deutschland übermittelt, „doch irgendwo ist diese Warnkette dann gebrochen, sodass die Meldungen nicht bei den Menschen angekommen sind“.
Doch auch der Deutsche Wetterdienst (DWD), der die „Efas“-Daten und damit einhergehenden Warnungen bekommen hatte, sieht die Verantwortung für das Nicht-Alarmieren der Bevölkerung nicht bei sich. Ebenfalls dem ZDF sagte ein Sprecher des DWD: „Wir haben getan, was zu tun war.“
Bis auf die einzelnen Gemeinden genau habe man einen Tag vor der Katastrophe „vor Regenmengen von bis zu 200 Litern pro Quadratmeter gewarnt“. Kritisch fügte der Sprecher an, dass die vom DWD übermittelten Warnungen „nicht von allen Medien“ geteilt worden seien.
„Wir als Meteorologen waren nicht überrascht“, sagte auch Andreas Friedrich, Tornado-Beautragter und Pressesprecher der Behörde.
Die Behörde habe sehr gute Modellvorhersagen vorliegen gehabt und bereits am Montagmorgen eine erste Unwettervorabinformation herausgegeben. „Am Dienstag haben wir dann nach einer Bestätigung durch die Modelle eine extreme Unwetterwarnung herausgegeben – genau für die Regionen, die nun auch wirklich stark betroffen sind“, so Friedrich gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.
Die Unwetterwarnungen gebe der Deutsche Wetterdienst schließlich an die Katastrophenleitstellen der betroffenen Gemeinden weiter. „Dort wird entschieden, ob beispielsweise evakuiert wird.“ Auch die Pegelstände der Flüsse werde von den Hochwasserzentralen auf der Datenbasis des DWD berechnet.
Vier Tage nach den verheerenden Unwettern in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ist die Zahl der Todesopfer auf mehr als 150 gestiegen. Allein im Kreis Ahrweiler kamen nach Polizeiangaben mindestens 110 Menschen ums Leben, 670 wurden verletzt. In Nordrhein-Westfalen lag die Zahl der bestätigten Todesopfer bis Sonntagmittag bei 46, darunter vier Feuerwehrleute.
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