Allgemein / 4.12.2020, 16:24 Uhr
Ministerpräsident Haseloff feuert sein Zugpferd
Haseloff gilt als "unbeliebtester Ministerpräsident" Deutschlands. Sein Zugpferd, der Ex-Innenminister von Sachsen-Anhalt Stahlknecht punktete hingegen..
Magdeburg - Der Streit innerhalb Sachsen-Anhalts Regierung um die Anpassung des Rundfunkbeitrags ist eskaliert. Ministerpräsident Reiner Haseloff hat Landesinnenminister und Parteikollege Holger Stahlknecht entlassen. Haseloff begründete dies am Freitag in Magdeburg mit einem schwer gestörten Vertrauensverhältnis.
CDU-Landeschef Stahlknecht habe während der laufenden Bemühungen des Ministerpräsidenten, die Kenia-Koalition im Streit um den Rundfunkbeitrag zu stabilisieren, unabgestimmt und "öffentlich den Koalitionsbruch und die Möglichkeit einer allein von der CDU gebildeten Minderheitsregierung in den Raum gestellt".
Zuvor hatten SPD und Grüne Stahlknecht vorgeworfen, den Streit nutzen zu wollen, um Ministerpräsident Haseloff zu stürzen. Stahlknecht hatte in einem Interview der in Magdeburg erscheinenden "Volksstimme" angekündigt, mit einer Minderheitsregierung weiterzuregieren, sollte die Koalition den Streit nicht überstehen. Das hatte Haseloff bislang ausgeschlossen. Stahlknecht war sich zudem sicher, dass seine Fraktion nicht einlenken werde: "Das ist nicht verhandelbar. Die CDU wird ihre Position nicht räumen."
Stahlknechts Interview sorgte auch in der Landes-CDU für angespannte Stimmung, von Wutausbrüchen ist die Rede. Dass Haseloff seinen Innenminister entlassen hat, zeigt aus Sicht von Parteienforscher Michael Lühmann vom Göttinger Institut für Demokratieforschung zwei Dinge: "Der Riss geht durch die CDU in Sachsen-Anhalt selbst und der Ministerpräsident ist gewillt, Führungsstärke zu zeigen und womöglich eine Richtungsentscheidung zu erzwingen."
Stahlknecht hatte das Nein seiner Partei zu einem höheren Rundfunkbeitrag unter anderem mit Kritik an der Berichterstattung der Öffentlich-Rechtlichen begründet. Die Sender hätten den Transformationsprozess im Osten, der zu einschneidenden Umbrüchen im Leben vieler Menschen geführt habe, zu wenig abgebildet. "Die Öffentlich-Rechtlichen berichten gelegentlich nicht auf Augenhöhe, sondern mit dem erhobenen Zeigefinger der Moralisierung."
Die Koalitionspartner aus SPD und Grüne spielen derweilen ein falsches Spiel zu Lasten der Beitragszahlen. So äußerte sich die SPD-Fraktionschefin Katja Pähle in dem sie der Auffassung sei, dass ihr Koalitionspartner CDU eine "sprachliche Anbiederung nach rechts" vollziehen würde. Wie könnte es auch anders sein, äußerte sich am Freitag der Landesvorsitzende der Linken, Stefan Gebhardt ähnlich: "Die CDU fährt einen Frontalangriff auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der sprachlich und inhaltlich vollständig deckungsgleich mit der AfD ist."
Es gehe der CDU nicht um eine Beschneidung der Pressefreiheit, sagte Stahlknecht. Es müsse aber möglich sein, die Strukturen derjenigen auf den Prüfstand zu stellen, die vom Geld der Beitragszahler leben. Und sprach der Mehrheit damit wohl aus dem Herzen.
Die Grünen-Fraktionschefin hingegen "befürchtet" den Sturz von Haseloff. Natürlich sieht sie wohl eher ihre Gunst der Stunde.
"Jetzt besteht Klarheit", zwitscherte Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann mit Blick auf das Interview via Twitter. Es sei der CDU nie um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gegangen, sondern um den Sturz von Haseloff und die Vorbereitung einer Minderheitsregierung mit der AfD.
Stahlknecht war lange als möglicher Nachfolger von Haseloff gehandelt worden. Er genoss wesentlich mehr Beliebtheit bei der Bevölkerung, als der amtierende Ministerpräsident oder gar die mitregierenden Köpfe aus SPD und Grüne.
Derzeit standen alle Zeichen in Magdeburg darauf, dass Sachsen-Anhalt mit einem Veto tatsächlich die Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent auf 18,36 Euro zum 1. Januar 2021 blockiert. Damit die Erhöhung in Kraft tritt, müssen alle Landesparlamente zustimmen. Bis auf Sachsen-Anhalt haben sie das bereits getan oder signalisiert, es zu tun. Nach dem Abgang Stahlknechts steht der Beitragserhöhung nun nichts mehr im Wege. Der Beitragszahler muss erneut tiefer in die Tasche greifen.
Bleibt die CDU jedoch bei ihrem Nein, könnte die Koalition auch getrennt abstimmen. Die Christdemokraten haben zusammen mit der AfD, die ebenfalls ablehnen will, eine Mehrheit. Diese Option will Haseloff verhindern. Es ist nicht üblich, dass Koalitionen bei wichtigen Vorhaben uneinheitlich abstimmen. SPD und Grüne drohen bereits an, dass sie bei einem gemeinsamen CDU-AfD-Veto keine Grundlage mehr für einen Fortbestand der seit 2016 regierenden Koalition sehen.
Die CDU in Sachsen-Anhalt betonte zuletzt immer wieder, dass sie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sei, ihn aber für zu teuer und zu groß hält. Die AfD lehnt nicht nur ein Beitragsplus, sondern das Beitragssystem als Ganzes ab.
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